Success Story (in German) von Jochen Lange (BTH Heimtex | Ausgabe 01/2016)
Infloor und Girloon sind zwei der renommiertesten Teppichbodenlieferanten Deutschlands. Den guten Ruf haben sich Gründer Ulrich Dresing und seine Tochter Stefanie Ritterbach durch flexible Kundenorientierung, hohe Produktionskompetenz und ausgeprägte Leidenschaft für das Produkt erarbeitet.
Für Ulrich Dresing, den Geschäftsführenden Gesellschafter von Infoor und Girloon, muss ein Teppichboden in erster Linie zwei Eigenschaften besitzen: einerseits technisch und qualitativ einwandfrei sein, andererseits – und das vor allem – schön sein. Da sich über Schönheit und Geschmack nicht streiten lässt, hat der 69-jährige Fabrikant sein Teppichbodenwerk im ostwestfälischen Herzebrock-Clarholz in den vergangenen rund 40 Jahren stark auf individuelle Kundenwünsche ausgerichtet.
(Bild: Qualitativ hochwertige und vor allem schöne Teppichböden herstellen wollen Christian Grube (Verkaufsleiter Infloor/Girloon) sowie den beiden Geschäftsführenden Gesellschaftern Stefanie Ritterbach und Ulrich Dresing.)
Exemplarisch für diese Unternehmensstrategie ist die eigene ChromoJET-Anlage. Die digital gesteuerte Spritzdruck-Technik – vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker – bringt jedes erdenkliche Dessin in einer Konturenschärfe von 1 Mio. Druckpunkten mit maximal 16 Farben auf jeden Quadratmeter Teppichfor. Das können gängige Designs für Hotelketten sein. Oder auch einmal die Reproduktion von Optiken, die Kunden aus aller Welt irgendwo gesehen und abfotografiert haben. „Sie schicken uns Fotos oder Muster. Das versuchen wir dann in unserem Design-Atelier zu realisieren“, erzählt Dresing und fügt mit einem zurückhaltenden Lächeln hinzu: „Und meistens gelingt uns das auch."
Bei bedruckter Ware hauptsächlich Sonderanfertigungen
Dass der Unternehmer, seine Tochter Stefanie Ritterbach, die ebenfalls Geschäftsführende Gesellschafterin ist, und die ganze Mannschaft das Optimum aus der ChromoJET-Anlage herausholen, hat sich herumgesprochen. Wenn der Maschinenhersteller ZIMMER AUSTRIA in Kufstein einen Kaufinteressenten für eine solche Anlage hat, schickt er ihn erst einmal nach Herzebrock-Clarholz, um das Gerät im laufenden Betrieb in Augenschein nehmen zu können – auch wenn dieser Kunde, wie schon geschehen, aus Tibet, Indien, Australien oder Amerika kommt. Das nennt man dann wohl vorbildlich.
Die ChromoJET-Anlage passt auch aufgrund ihrer technischen Flexibilität gut zur Philosophie von Infloor und Girloon. Die Rüstzeiten für neue Farbansätze seien wesentlich kürzer als beispielsweise bei einer Millitron-Anlage, erklärt Anwendungstechniker Klemens Tillmanns. Das versetzt die beiden Unternehmen in die komfortable Lage, Individual drucke bereits ab einer Menge von 100 m² liefern zu können. Dieses Geschäft habe sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, sagt Dresing. Heute verkauft man 20 % der gesamten jährlichen Produktionsmenge von rund 2,5 Mio. m² als bedruckte Ware. Davon wiederum verlassen 80 % das Werk als Sonderanfertigungen.
Das Werk wird betrieben von der Vetex GmbH. Sie gehört ebenfalls den Familien Dresing und Ritterbach und hat als einzige Abnehmer die beiden Vertriebsgesellschaften Infloor und Girloon. In!oor hat Ulrich Dresing, der aus der Grossisten-Familie Dresing stammt, 1977 allein mit nur einer Tufting-Maschine und drei Mitarbeitern gegründet. Nach anfänglicher Skepsis von Seiten vieler Großhandelshäuser ist man dort heute einer der angesehensten und verbreitetsten Teppichbodenlieferanten. Das spiegelt sich Jahr für Jahr in der BTH Heimtex-Großhandelsumfrage (siehe Seite 40 | Ausgabe der BTH Heimtex 01/2016) Teppichboden eindrucksvoll wieder.
Alles wird selbst produziert
Girloon, einst die Premium-Marke für Teppichboden von Girmes, gehört seit rund 14 Jahren als Schwestergesellschaft von Infloor zum Unternehmen. Bekannt ist sie durch den 1/20“-Velours, den am dichtesten getufteten der Welt, wie Verkaufsleiter Christian Grube betont. Auch heute noch laufen die anderen Klassiker wie Hochflor, Standard und Samtfloor von den von Girmes übernommenen und komplett überholten Webstühlen. „Wir haben damals nach der Übernahme einige Zeit gebraucht, um das Qualitätsniveau von Girloon unter Girmes zu erreichen“, erinnert sich Dresing. Inzwischen ist man stolz darauf, dass Stammkunden, die Girloon schon zu Girmes-Zeiten bezogen haben, die Produkte heute sogar noch einen Tick schöner finden. Ein größeres Kompliment kann man dem leidenschaftlichen Teppichboden-Fabrikanten Ulrich Dresing wohl kaum machen.
In Herzebrock-Clarholz laufen 14 Tufting-Maschinen und zehn Webstühle. Alles was die Ostwestfalen auf dem Markt anbieten, produzieren sie selbst. So kann man dort ein vollstufiges, modernes, aufgeräumtes und klar strukturiertes Teppichbodenwerk besichtigen, das viele für das modernste in Europa halten. Neben der Weberei und dem Tufting wird selbst beschichtet, kontinuierlich gefärbt, bedruckt und konfektioniert. Obwohl es immer wieder Anfragen von Kollegen gebe, haben sich Dresing und Ritterbach entschieden, kein Industriegeschäft zu betreiben.
Der Erfolg gibt ihnen recht: Obwohl auch bei Infloor/Girloon die Absatzmengen im Verlauf der vergangenen Jahre kontinuierlich geringer geworden sind, könne man sich über steigende Abgabepreise und damit auch Gesamtumsätze freuen. Denn wer ein ganz
bestimmtes Dessin mit ganz bestimmten Farben haben möchte, bei dem komme es nicht auf den letzten Cent an, sagt Dresing. Und das mache der gesamten Mannschaft eben großen Spaß.
Infloor und Girloon agieren eigenständig
Der gelernte Bankkaufmann und seine Tochter, die von Haus aus Apothekerin ist, legen großen Wert darauf, dass die beiden Unternehmen Infloor und Girloon draußen im Markt wie auch im Innendienst voneinander agieren. „Sowohl die Vertriebswege als auch die Kollektionen sind unterschiedlich. Girloon agiert zu rund 70 % in der direkten Objekt-Akquise. Infloor Großhandel“, skizziert Girloon-Vertriebsleiter Christian Grube. Er leitet gegenwärtig auch kommissarisch den Vertrieb bei Infloor. Aber nur so lange, bis ein Nachfolger für Axel Kukielski gefunden wurde, der im November 2015 zur B.I.G.-Gruppe gewechselt ist.
In Herzebrock-Clarholz werden individuelle Kundenwünsche auch deshalb genau, flexibel und schnell erfüllt, weil dort fast ausschließlich rohweißes Polyamid verarbeitet und die Ware im Anschluss in der Continue-Anlage gefärbt beziehungsweise bedruckt wird. Zudem produziere man fast ausschließlich über Zettelbäume anstatt aus dem Spulengatter, wie es Volumenhersteller bevorzugen. Das ermögliche es, kleine Losgrößen anbieten und die Maschinen für neue Aufträge schnell umrüsten zu können, erklärt Anwendungstechniker Tillmann beim Werksrundgang. Das wäre mit bereits gefärbten solution dyed Garnen nur schwer möglich, da diese im Volumen ab mehreren Tonnen aufwärts eingekauft werden müssten. Die von den Garnlieferanten zur Verfügung gestellten Farben entsprächen zudem nur selten den individuellen Wünschen der Kunden.
Zwar wird als Vorteil von pigmentgefärbtem Garn oft genannt, dass sie bei der Reinigung resistent gegenüber Chlor- und Bleichmitteln sind. Für Infloor/Girloon ist die höhere Flexibilität des rohweißen Garns aber wichtiger. „Und aus unserer Sicht spielen solche Reinigungsmittel mit Ausnahme des Klinik-Segments auch keine große Rolle“, argumentiert Vertriebsleiter Grube. Man habe das eigene Garn im fertigen Produkte extern mit anderen Garntypen vergleichend testen lassen: Beide Arten seien auch im Bezug auf UV-Beständigkeit auf Augenhöhe.
(Bild: Die digital gesteuerte Spritzdruck-Technik der ChromoJET-Anlage bringt die Dessin in einer Konturenschärfe von 1 Mio. Druckpunkten mit maximal 16 Farben auf jeden Quadratmeter Teppichflor.)
Die individuellen Vorstellungen der Kunden möchten Dresing und Ritterbach so gut möglich umsetzen. Deshalb nutzt man für bedruckte Ware eine Musterdruck-Anlage. Sie ist baugleich zur großen ChromoJET-Anlage und stellt nach den selben Parametern 100 x 100 m² große Muster her. Die können schon 24 Stunden nach der Anfrage beim Interessenten sein und der kann auf solider Grundlage sein OK geben.
Erfolgreich mit Teppichfliesen
Ein in den vergangenen Jahren sukzessiv entwickeltes Baukasten-Prinzip sorgt für zusätzliche Flexibilität. So wählen Objektkunden einfach die gewünschte Oberware – aus Kollektionen oder als Sonderanfertigung. „Im Anschluss bauen wir den für den Einsatzzweck passenden Bodenbelag wie ein Sandwich zusammen“, erklärt Grube. Hier spielen Parameter wie Akustik oder leichte Wiederaufnahme eine Rolle. Zur Auswahl stehen mehrere Beschichtungsarten sowie unterschiedlich dicke Rückenkonstruktionen, die alle mit der Brandschutzklasse Cfl-s1 objekttauglich ausgestattet werden.
Das vorhandene Know how in Bezug auf Beschichtung und Rückenaufbau habe einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass beide Unternehmen heute erfolgreich seien im immer wichtiger werdenden Produktsegment Teppichfliese, erklärt Dresing. Die PVC- und Bitumenfreien Produkte der Lagerkollektionen Modul Art (Girloon) und Modul Play (Infloor) haben einen selbsthaftenden Rücken und kommen laut Dresing im Moment als einzige im Markt gänzlich ohne zusätzliche Fixierung aus. „Wir können die beste Dimensionsstabilität bieten, die man sich überhaupt im Bereich textile, modulare Beläge vorstellen kann, weil wir diese hohe technische Hürde erfolgreich genommen haben“, legt sich der Geschäftsführende Gesellschafter selbstbewusst fest.
Spätestens seit der Domotex 2015, auf der man die Module im Plankenformat 25 x 100 cm und in holzähnlicher Optik vorgestellt hatte, entwickele sich der Sortimentsbereich dynamisch. Das Format, die Breite der Kollektion bestehend aus Schlingen, Glatt- und Kräuselvelours sowie die vielfältigen Verlegemuster bieten zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Das rohweiße Garn versetzt den Hersteller auch bei diesen modularen Produkten in die Lage, eine größere und vielfältiger Farbauswahl zu bieten.
Kunden in Deutschland öffnen sich zwar der Fliese. Häufig möchte man aber trotzdem die Optik einer Bahnenware ohne die Fugen zu sehen. Infloor und Girloon fertigen deswegen die Fliesen anstatt mit einer Stanze mit Hilfe einer speziellen Schneidetechnik. Sie sorge für einen "perfekten Nahtschluss“, erklärt Anwendungstechniker Tillmanns. Im Umkehrschluss sei man durch diese Technik aber ebenfalls in der Lage, rapportgenaue Module, auch mit Fliesenfuge, abzubilden, die bei Holzdessins entscheidend sind für eine authentische Wirkung.
„Der Trend nach modularen Bodenbelägen allgemein hat auch bei uns die Nachfrage besonders im Objekt-Segment stark erhöht“, sagt Stefanie Ritterbach. Man hat sich deswegen dazu entschlossen, die gesamte Modul-Produktion, die momentan dreischichtig läuft, inklusive des Lagers in einer neu zu errichtenden Halle zusammenzuführen. Dort werden auch die Modul-Neuheiten für die Domotex 2016 produziert. In Hannover erwartet den Girloon-Kundenkreis aus Architekten und Designer neue Designs unter anderem in Vinatge-Optik.
Infloor stellt auf der Domotex gleich zwei neue Modul-Kollektionen vor: für den Wohnbereich Modul Living und für den Objektbereich Modul Business. Modul Living wartet unter anderem mit neuen, weichen Saxonys und verschiedenen Holz- und Betonoptiken auf. In der Serie Modul Business zeigt In"oor unter anderem die Strukturschllinge Cover, die auf einer neuen Tuftingmaschine produziert wird.
Infloor /Girloon Daten und Fakten |
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Adresse | Infloor Teppichboden GmbH & Co. KG Daimlerstraße 8-12 33442 Herzebrock-Clarholz Tel.: 05245 / 84 01-0 Fax: 05245 / 84 01-90 info@infloor.de www.infloor.de |
Gründung | 1977 |
Mitarbeiter | 107 |
Produktionsmenge | 2,5 Mio. m²/Jahr |
Schwestergesellschaft | Girloon GmbH & Co. KG (am selben Standort) Tel.: 05245 / 9 21 94-0 Fax: 05245 / 9 21 94-44 info@girloon.de www.girloon.de |
Außendienst | 8 je Unternehmen |
Vertriebskanäle | - Infloor ca. 70 % über den Großhandel - Girloon ca. 70 % durch eigene Objektakquise |
Produkte | getuftete und gewebte Teppichböden, Teppichfliesen, abgepasste Teppiche |
Besonderheiten | ab 100 m² Sonderdessins auf ChromoJET-Druckanlage, alle Produkte ausgezeichnet mit dem Blauen Engel, weltweit einzige Tufting-Anlage für 1/20’’-Fein-Velours, Bitumen- und PVC-freie Teppichfliesen |